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Deutsche Nachrichten 1945 Nr 18

 vom 1. November 1945

Deutsche Nachrichten 1945 nr 18 

 fra 1. november 1945

 
 Rastlose Arbeit von AIM, Lager 47. #1. 
Aufklärungsarbeit dringend erforderlich von AIN, Flüchtlingslager Marielyst.  #15
Schularbeit ohne Namen #18
Ein Nordschleswiger schreibt uns. ohne Namen #25
Lied der Flüchtlinge von AIP #31
Tatsachen sind der beste Lehrmeister von AIQ, Fanø Flüchtlingslager #34
Wir zeigten den Weg. #36
Oksbøl kommt zu Wort ohne Namen #38
Potsdamer Beschlüsse werden sabotiert von AIR, Søvang #53
Wie lange noch? #58. 
Unser Briefkasten Antwort an AIO: #62. AJA: #64. AJB: #69. Frau AJC: #71. ADT: #73. Frau AJD: #81. Frau AJE: #82
 1  Rastlose Arbeit.
     Freude ist die Sonne, unter deren wärmenden Strahlen alles Gute erwacht, und zielbewusstes Schaffen ist der Tau, der es wachsen und gedeien lässt. Freude und Arbeit lassen uns das schwere Los der Flüchtlinge vergessen, die allzu hohe Wertschätzung materieller Güter ihre wahre Wertung finden, neuen Lebensvillen und frohe Hoffnungen erwachen und den Willen zum Neuaufbau der Heimat erstarken, dass wir bei unserer Rückkehr nach Deutschland zur Mitarbeit am Aufbau befähigt werden. 
 2       Durch rastlose Arbeit verantwortungsbewusster und einsichtsvoller Lagerinsassen und Anstoss, Anregung und Betreuung von aussen durch aufklärende Vorträge hat sich das Bild des Lagers erfreulich verändert, stumpfe Gleichgültigkeit oder Hoffnungslosigkeit ist emsiger Tätigkeig und allen schlimmen Gerüchten zum Trotz froher Hoffnung gewichen. 
Man sieht hier keine traurigen Gesichter, man hört Scherze und frohes Kinderjauchzen, das allerdings manchem Griesegram zuviel des Guten zu sein scheint und er deshabl ärgerlich über ein frohes helles Lachn vor sich hin schimpft. Wer kann auch allen alles recht machen? Aussenseiter wird es immer geben. 
      Als dem Garanten einer besseren deutschen Zukunft gilt die Betreuung hauptsächlich der Jugend, 5 Lehrkräfte unterrichten in 5 Klassenabteilungen die schulpflichtige Jugend. Fleissig wird mit froher Lust und freiem Schaffen gearbeitet, die in den Vorjahren entstandenen Wissenslücken zu beseitigen. 
Täglich stählt ein froher Gymnastikstunde die Jugend ihren Körper. Zum Gelingen der Unterrichtserfolge hat auch der Elternbeirat durch Beschaffung von Unterrichtsmitteln, Sorge um den Schulbesuch und durch seine Wünsche bei Gestaltung des Lehrplanes sein gut Teil beigetragen. 
      Ebenso angelegen lässt man sich die Betreuung der noch nicht schulpflichtigen Kinder sein. An jedem Vormittag ist Märchenstunde. Mit leuchtenden Augen folgen die Kleinen der Erzählung der Märchentante (Kindergärtnerin S. Würfeld), stellen das Gehörte in Stegreifsspielen lebendig dar, singen und basteln oder spielen auf dem Hofe bei schönem Wetter lustige Sing- und Rundspiele. 
An schulfreien Nachmittagen beschäftigt die liebe Märchentante audh die schulpflichtigen Kinder noch mit Basteln und Zeichnen. Es entstehen Kästchen aus Papier und zur grössten Freude bunte Quartette und Schwarzer Peter-Spiele. Die Kinder sind so fast den ganzen Tag beschäftigt und entwickeln ihre ungelenken Finger zu beachtenswerter Fertigkeit. -- 
Die schulentlassene Jugend findet geistige Betreuung durch die Fortbildungsschule mit den Disziplinen: Lebenskunde, Schriftverkehr, Rechnen und Hauseirtschaft für Mädchen, um ihre Gedankenwelt mit neuem Geist zu füllen, ihr Auftrieb und eine neue Richtung zu geben und durch Auffrischung und Erweiterung der Schulkenntnisse sie zu befähigen, ihre zukünftigen Aufgaben in Deutschland meistern zu können. Neben diesen genannten Unterrichtsfächern läuft auch noch zur Berufsertüchtigung ein Kursus für Kurzschrift und ein englischer Sprachkursus für Erwachsene. -- 
In der täglichen Freizeitstunde von 17-18 Uhr, sowie an den Abenden versammelt sich die schulentlassene Jugend im Schulraum unter Leitung manuell geschickter und die Jugend verstehender Erwachsener zu unterhaltender, aufklärender Aussprache und vor allem zu Brettspielen (Halma, Mühle, Dame und Schach), die schlicht und sauber in geschickter, fleissiger Arbeit selbst hergestellt wurden. Auch die Erwachsenen haben an diesen Spielabenden Gefallen gefunden und beteiligen sich gerne daran, die Anfänger mit guten Ratschlägen in die Kunst der Brettspiele, besonders des Schachs einzuführen. 
10       Da ertönt klangvoll vierstimmiger Gesang. Unter Stabführung des Dirigenten Lehrer Diesing werden bekannte Volkslieder, die von ihm für gemischten Chor ausgesetzt wurden, zum Vortrag gebracht oder für den fast am Sonnabend jeder Woche stattfindenden bunten Nachmittag geübt. Aus dem benachbarten Erkerraum, der sonst auch als Schulklasse dient, erschallt ein deklamatorisch vorgetragenes Zwiegespräch. Es muss fleissig geübt werden, aber dafür ernten auch die Schauspieler am Unterhaltungsnachmittag reichen Beifall. 
11  Ganz ausgezeichnet wurden die von Schülern aufgeführten Sachs-Spiele dartgestellt und lösten frohe Heiterkeit aus, erweckten aber auch durch das Spiel "Frau Wahrheit" ernste besinnliche Gedanken. Nicht unvermerkt darf die Einführung in den Geist von Heines Dichtung durch Rezitation mit verbindenden Worten sein, die bewies, welch eine Vergewaltigung dem künstlerischen Schaffen durch übertriben enge rassische und politische Einstellung zugefügt wurde. --
12  Viele Lagerinsassen beteiligen sich schon an der Ausgestaltung dieser "Bunden Nachmittage" und doch ist zu befürchten, diese Unterhaltungsnachmittage könnten aus Mangel an Darbietungsstoffen sanft einschlafen oder schablonenhaft verflachen, darum wäre es nötig, einen Gedankenaustausch der Kulturkommissionen der einzelnen Lager und der Darbietungsstoffe durchzuführen. 
13       Zur Aufklärung aller Lagerinsassen ist eine Wandzeitung geschaffen, die wichtige Nachrichten aus dänischen Zeitungen, tägliche Radioberichte, Stellungnahmen, die das Lager betreffenden Einrichtungen beleuchten, sowie lustige Karrikaturen, die Schwächen der Lagerinsassen geisseln, zum Aushang bringen. Zur Unterhaltung ist ausserdem aus den Buchbeständen der Insassen eine kleine Bibliothek gegründet, die jetzt leider bei der überstarken Belegung bei weitem nicht mehr das Lesebedürfnis befrieden kann. 
14  Ich empfehle deshalb, auch hierüber in einem Gedankenaustausch treten zu wollen, wie man diese doch wertvollen Einrichtungen ausgestalten könnte und Vorschläge in den "Deutschen Nachrichten" veröffentlichen oder sich an die Kulturkommission vom Lager 47 wenden zu wollen. 
AIM,
Lager 47. 
15  Aufklärungsarbeit dringend erforderlich
      Seit meiner Ankunft im Flüchtlingslager Marielyst habe ich mich mit den Menschen und ihren politischen Richtungen beschäftigt. Das gestige Durcheinander schien mir unentwirrbar, später machten sich Erscheinungen bemerkbar, die stark an die Vorgänge Hitlerdeutschlands erinnerten. Freie Meinundsäusserungen gab es nicht, im Hintergrund standen Repressalien bezw. Verlegung in ein anderes Lager. 
16  Meine Bemühungen, die Zeitung "Deutsche Nachrichten", von deren Existenz ich einmal gerüchtweise hörte, geliefert zu bekommen, schlugen fehl. -- Wenn auch die Angst des Einzelnen, sich öffentlich zur Demokratie zu bekennen, überwunden scheint, halte ich einsetzende Aufklärungsarbeit für dringend erforderlich. 
17      Seit dem 7. 10. 45 haben wir einen dänischen Lagerleiter. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen mit der Arbeit der antinazistichen und demokratischen Sinne in unserem Lager, das 625 Personen umfasst, zu beginnen. Vordringlich erscheint mir die Lösung folgender Fragen: 
1. Überlassung von geeignetem Aufklärungsmaterial. 
2. Regelmässige Belieferung der "Deutschen Nachrichten". 
AIN, 
Flüchtlingslager Marielyst. 
18  Schularbeit.
      Aur Abrundung des Bildes über die schulische Betreuung der Jugend in unserem Lager soll auch das Lager 93 zu Worte kommen. 
19       550 Personen in zwei Tennishallen. Kein Tisch, keine Bank. Ein Schulraum konnte nicht bereit gestellt werden. Aber ich hattedas Glück, Fachkräfte einsetzen zu können. Ein Konrektor, der allerdings bald fortkam, und zwei Junglehrerinnen waren ausser mir im Lager. Wir vier zogen einen Unterricht auf, der behelfsmässig genug war. Jeden Morgen konnte man auf einigen unserer Tennisplätze ein Häuflein Kinder auf untergelegten Decken sitzen sehen, den Lehrer davor stehend. Zwar konnte die Schule nur bei schönem Wetter stattfinden. Aber der Anfang war gemacht -- 
20   Dann gelang es mir, einen Waschraum für einige Vormittagsstunden freizumachen. Ein Fortschritt! zwar hatten wir noch immer keinen Tisch. Aber die Kinder konnten doch auf Bänken sitzen, und wir waren von der Witterung unabhängig. Auch gelang es, eine dunkelgestrichene Sperrholzplatte als Tafel aufzutun. So arbeiteten wir im Juni und Juli. Dann hat unser dänischer Lagerleiter uns im August zu einem grossen Schulraum mit Tischen und Bänken verholfen, sodass wir jetzt imstande sind, in zwei Räumen gleichzeitig zu unterrichten.
21  So können wir jetzt mit 7 Klassen und einem Kindergarten arbeiten. Daneben läuft für die Oberschüler Unterricht in Mathematik, Physik, Erdkunde mit Deutsch; im ganzen werden 130 Stunden in der Woche erteilt. 
22      Wenn ich nun unsere Erfahrungen mit denen des Lagers 76, wie sie in Nr. 16 der DN geschildert wurden, (45-16#1) vergleiche, so kann ich nur feststellen, dass wir hier mehr Glück haben. Erschwerend für die Schularbeit ist allerdings die Zusammensetzung unseres Lagers. Wir haben überwiegend Landbevölkerung, Bauern und Landarbeiter. Wie der Schulbetrieb auf dem Lande und im Kriege aussieht, das weiss wohl jeder. Dazu noch die Wissenlücken aus den früheren Jahren, wo die H. J. als die stärkere Macht die Schule in ihren Leistungen schwer behinderte. 
23  Wir also waren auf Minderleistungen gefasst. Aber sie unterschritten nicht das tragbare Mass. Zwar eine gewisse Denkfaulheit ist bei vielen Kindern festzustellen. Aber ich möchte nicht so weit gehen, wie der Berichterstatter von Lager 76 und von Lernunwilligkeit sprechen, auch nicht bei den älteren Jahrgängen von 14-16 Jahren. 
24       So will ich abschliessend zusammenfassen: Unser Schulbetrieb läuft jetzt fast fünf Monate und ist dabei immer mehr ausgebaut worden. Und mit Erfolg: die Lücken, die der Krieg und die nationalsozialistische Erziehung gebracht haben, schliessen sich sichtbar. Und das lässt uns die schwere Arbeit leichter und freudiger verrichten. 
Ohne Namen. 
25  Ein Nordschleswiger schreibt uns.
       Wenn man noch so viel Unrecht und Schuld um sich herum nachweisen kann, so kann man damit doch nicht eigenes Unrecht und eigene Schuld ungeschehen machen! Was man bei Andern als Unrecht verurteilt, kann doch nicht Recht werden, wenn man es selber tut. Unter der Schuld, die in den letzten Jahren durch die herrschende Macht in unserem Volk gegen Wunsch und Willen der Mehrheit des Volkes aufgehäuft wurde, werden wir bis in späte Generationen hinein büssen müssen. 
26  Oft ist es von Reichdeutschen so ausgedrückt worden: "In Deutschland gab es nicht nur Konzentrationslager, sondern ganz Deutschland war ein Konzentrationslager!" Denn jede freie Meinungsäusserun war unterdrückt, und wer es dennoch wagte, eine solche zu äussern, der wurde, wenn ein Denunziant ihn angab, uns Zuchthaus oder Konzentrationslager geworfen, wenn nicht gar "liquidiert". 
27  Es braucht ferner nir an die Misshandlung der Juden, anderer Bevölkerungsteile in Europa und ungezählte andere Dinge erinnert zu werden -- und jeder anständige Deutsche muss dann ganz still werden -- auch wenn um ihn herum und gegen ihn selber Unrecht geschieht. Wer nicht imstande und bereit ist, eigene Schuld und Schuld von Angehörigen des eigenen Volkes als das zu benenne, was es ist, dem fehlt jedes moralische Recht die Schuld Anderer an den Pranger zu stellen. 
28       Es geht nicht an, wie viele deutsche Nordschleswiger es offenbar tun, zu sagen: "Von diesen Dingen habe ich nie gehört, ich glaube sie nicht, also stimmen sie nicht". Ich sage: das geht nicht. Tatsachen bringt man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie leugnet. 
29      Es wird manche noch verblendede Deutsce unter uns geben, die das eben Gesagte nicht verstehen wollen und so sagen werden: "Man soll sein eigenes Nest nicht beschmutzen". Dazu sage ich: "Das ist kein Beschmutzen, sondern der Schmutz ist leider schon da". 
30  Neue freie Bahn gibt es erst dann, wenn man sich innerlich vom Unrecht trennt. Dadurch wird unser Volk nicht entehrt, sondern wir bauen eine neure Ehre auf, wenn unser deutsches Leben auf gesunde, saubere Grundsätze gestellt wird. Und ich glaube, dass es noch gesunde Kräfte gibt, die zu diesem Aufbau bereit sind. 
31  Lied der Flüchtlinge
Text und Melodie von AIP, Lager 96. 
Wir mussten die Heimat verlassen, 
denn hinter uns hetzte das Tod.
Wir wanderten eiskalte Strassen,
und assen ein kummervoll Brot.
Umringet von tausend Gefahren,
so kamen wir über das Meer
in die ferne Fremde gefahren,
wie Flüchtlinge endloses Heer. 
32  Nun schleichen die freudlosen Tage
im Lager so eintönig hin.
Und jeden bedrückt oft die Frage
nach solch eines Daseines Sinn.
Es schweifen die stillen Gedanken,
wie sie wohl ein jeder hier kennt,
und sie über fliegen die Schranken
zu denen, die von uns getrennt. 
33  Wir sind vom Geschick hart getroffen
und Wehmut betrübt unsern Blick.
Doch aufrecht erhälrt uns das Hoffen;
einst kehren wir wieder zurück. 
Und finden wir dort auch nur Trümmer,
wir nehmen den Spaten zur Hand.
Darum singen wir jetzt und immer: 
"Wir grüssen dich, Heimatland!"
34  Tatsachen sind der beste Lehrmeister
      Betreuer haben sich eingeschlichen, die schon rein moralisch geschweige denn politisch abzulehnen sind. Diese Übrigbleibsel können es einfach nicht aufgeben, ihre "Talente" auch jetzt wieder zu zeigen und schieben sich genau wie früher in den Vordergrund. Nach aussenhin reden sie von der braunen Pest, oder wenn es sich um die Jugend handelt, von einer Hörde. 
35  Aber ihr ganzes Auftregen, die Methoden, die sie ihren Handlungen zugrunde legen, lässt den Pharisäer erkennen. Kurzum es sind jene, welche kaltschäuzig nach dem Rezept verfahren, "Haltet den Dieb". Es ist jener Typ, welcher offen erklärt, dass er mit Ausschüssen nichts zu tun haben wolle, ja sich nicht einmal an das "Reglement for tyske Flygtninge" halte, demzufolge der Betreuer aus den Reihen der Flüchtlinge zu wählen und kein Nazist ist. 
Hugo Schulze,
Fanø Flüchtlingslager,
Kurhuset
36  Wir zeigten den Weg.
"D. N." Nr. 3 Ende Febr. 1945.
Was soll jetzt weiter geschen?
       Das schlimmste Unglück in der Geschichte unseres Volkes ist, dass es sich durch Militarismus und Nationalsozialismus zu Eroberingskriegen hat missbrauchen lassen, dass es sich dem deutschen Imperialismus unterworfen hat, dass es sich in den Krieg hat treiben lassen -- anstelle den Weg des Friedens zu gehen. 
37      Was jetzt geschehen muss, ist, dass unser Volk selbst zum Richter wird und mit den Schuldigen von zwei Weltkrigen abrechnet! Dass es selbst rücksichtslos den Nazismus ausrottet und sich wieder ein anständiges Leben sichert und einen Platz in der Gemeinschaft der Völker erwirbt. 
38   Oksbøl kommt zu Wort
      Am 5. Maj 1945 brach das nationalsozialistische Regime total zusammen. Das Resultat von 12 Jahren Naziterror, Krieg, Verwüstung, Verbrechen an anderen Völkern und am eigenen Volk, lag offen vor den Augen der ganzen Welt. 
39       Die dänische Freiheitsbewegung hatte nach dem 5.Mai alle Hände voll zu tun, um der dänischen Regierung die Wiederübernahme der Macht zu erleichtern und die deutschen Flüchtlinge kamen daher erst an letzter Stelle. 
40       Das war der Grund, weswegen dieser Tag, der für ganz Europa ein so entscheidender wurde, für Oksbøl gar nicht spurlos vorüber ging, aber doch keine entscheidende Neuäuderung herbeiführte. Der Aufbau der Verwaltung, die personelle Besetzung der entscheidenden Posten, das Führerprinzip, alles blieb beim alten. Nur die braunen Uniformen, die Parteiabzeichen und Parteibücher, d. h. die äusseren Kulissen verschwanden. 
41  Es gab sogar geistreich Leute, die auf den Lichtbildern ihrer Ausweise das mitfotografierte Parteiabzeichen mit Tinte verschmierten. Die nationalsozialistischen Elemente versuchten sich teilweise zu tarnen: 1. Um sich der Verantwortung zu entziehen, 2. um Positionen zu bewahren, die für die Durchführung nationalsozialistischer Wehrwolfpolitik geeignet sind, 3. um rein egoistisch Vorteile aus ihren Stellungen zu ziehen und 4. um sich eine neue Basis zu schaffen, um leichter im neuen Deutschland als "demokratischer Vorkämpfer" anerkannt zu werden. 
42  Einigen gelang diese Tarnung nicht. Gopptle wurde als Kriegsverbrecher sehr bald verhaftet. Auch einige andre verschwanden von ihren Stellungen. Aber im Wesentlichen blieb es beim Alten. 
43        Nur langsam begannen sich die Flüchtlinge zu fragen, ob sich seit dem 5. Mai nicht doch einiges geändert hätte. Die Opposition begann sich zu regen. Erst einzeln und individuel. Alte Antifaschisten, Kommunisten, Sozialdemokraten, Parteilose, demokratische Elemente der verschiedensten Anschauungen gab es wohl im Lager, aber die Macht, der sie gegenüberstanden, war immer noch gross und dazu gut organisiert. Sich nach aussen um Hilfe zu wenden war unmöglich, die dänischen und englischen Behörden hatten andere wichtigere Sachen zu tun als sich gerade um das Lager Oksbøl zu kümmern. 
44  Die Flüchtlinge waren sich selbst überlassen. Sie mussten also auch selbst handeln. Die Opposition begann sich fester zusammenzuschliessen, und streckte gleichzeitig die Fühler nach allen Seiten aus, um alle Nicht-Nationalsozialisten um sich zu scharen. In ihr gab es gute und schlechte Elemente, überzeugte Antinazisten, die von je ihren Teil im Kampf gegen Hitler beigetraten haben, demokratisch eingestellte Intellektuelle und Menschen die gegen den Nazismus waren ohne selbst darüber klar zu sein, was sie an seine Stelle setzen wollen. 
45  Es gab Leute die klar wussten was sie wollten und die fähig waren, eine demokratische Politik durchzuführen und welche, die zwar den guten Willen hatten aber persönlich vollständig unfähig waren, diesen schwierigen Kampf auf demokratische Weise durchzuführen. Dass es auch einem Nazi gelang sich innerhalb der Opposition, zeitweise sogar an führender Stelle, zu verbergen, tut der Tatsache keinen Abbruch, dass Entstehen udn Wachsen der Opposition eine positive antifaschistische Tat des Flüchtlingslagers Oksbøl ist. 
46        Taktloses und ungeschicktes Auftreten einzelner Mitglieder der Opposition bei Durchführung ihrer Politik, erschwerte zwar die Arbeit und es ist möglich, dass man heute hätte weiter sein können, aber wären die Leute nciht gewesen, so wäre der Stein überhaupt nicht ins Rollen gekommen. Und es gehört mehr Mut dazu, der erste Mann zu sein als der letzte. 
47       Nachdem die so entstandene demokratische Front, so stark geworden war, dass sie nach aussen auftreten konnte, gelang es ihr mit dem dänischen Kommandanten, der bis dahin unnahbar gewesen war, in Verbingund zu treten.
48        Das Aufrechterhalten dieser Verbindung gestaltete sich ziemlich schwierig. Einerseits war die Opposition immer noch eine Minderheit, andererseits waren die Wortführer nicht immer Leute, die die Sympatie des Kommandanten gewinnen konnten und 3. konnte die Opposition nur wenige Leute nennen, die sich für eine eventuelle Übernahme der wichtigsten Posten eignen würden. 
49  Aber durch zielbewusste Arbeit einiger Weniger gelang es schliesslich, Boden zu gewinnen. Es sollte eine Gemeindevertretung geschaffen werden. Es wurden Satzungen verfasst, die die Befugnisswe der neuen Gemeindevertretung festlegten. Diese Satzungen wurden mit wenigen Abänderungen vom dänischen Kommandanten gutgeheissen. Daraufhin suchte man aus allen Blöcken (ein Block hat mehrere Baracken) je 2 Vertreter, möglichst aus verschiedenen Volksschichten, heraus und reichte beim Kommandanten 2 Listen ein aus welchen er 12 und 6 Gemeindevertreter auswählte. 
50  Diese Gemeindevertretung wurde vom Kommendanten dann öffentlich im Kinosaal eingeführt. Die Hauptaufgabe der Gemeindevertretung ist die Kontrolle der Selbstverwaltung und das Neubesetzen der Ämter und Verwaltungsstellen. Sie ist eine Keimzelle der Demokratie und muss die Flüchtlinge langsam aber sicher zur demokratischen Mitarbeit an der Selbstverwaltung heranziehen. Diese demokratische Selbstverwaltung, die von unten nach oben zu gehen hat, wird auch aus der Masse der Flüchtlinge aktive Demokraten heranzuehen, die fähig sind, einen positiven Einsatz in der Flüchtlingsgemeinde Oksbøl zu leisten. 
51  Die Geschichte der Opposition mit ihren gutenund schwachen Seiten ist lehrreich. Sie zeigt, dass unter den schwierigsten Bedingungen die Einheit aller Antinazisten eine feste Front darstellt, die zu Resultaten führt. Diese Einheit ist aber wichtig, denn sie ist gleichzeitig die Grundlag wahrer Demokratie. Die grossen Aufgaben, die gerade in Oksbøl mit den 28.000 Flüchtlingen noch bevorstehen, können nur gemeistert werden, wenn diese demokratisch Zusammenarbeit auch in der Zukunft weiter ausgebaut wird. Das Ziel muss totale Demokratisierung der Selbstverwaltung in Oksbøl sein.
52  Auf diese Weise kann Oksbøl im Laufe von verhältnismässig kurzer Zeit eine demokratische Mustergemeinde werden. Aber dann müssen alle Flüchtlinge, jeder nach seinen Kräften, an diesem Aufbau teilnehmen. 
Ohne Namen. 
53  Potsdamer Beschlüsse werden sabotiert
     Am 12. Oktober 1945, 19,00 Uhr hatten wir uns im Speisesaal des Lagers zur Wahl eines Arbeidseinteilers versammelt. Der bisherige war in Deutschland Standortobmann und stellv. Gauobmann gewesen und gehört nach dem Erlass der Alliiierten, auf Grund seiner politischen Tätigkeit nicht auf diesen Platz. Wenn man nun der Meinung ist, dass die Wahl stattfand, so ist man im Irrtum. Man höre und staune: ein Teil der männlichen Lagerinsassen sind ehemalige Nazimitglieder, darunter viele Funktionäre der Partei, es sind dieses Leute von der Firma Heinkel, die den Krieg auf Kosten der Dänen geführt haben. 
54  Noch vor einigen Tagen machten sie sich gegenseitig Vorwürfe über die Fettmengen, die sie von Kopenhagen nach Deutschland, währen des Krieges verschoben haben. Für sie gilt der Grundsatz, "genisse den Krieg, denne der Frieden ist schrecklich". Ihr augenblicklicher Rettungsanker ist der neue Krieg zwischen den Alliierten. Diese ehemaligen Nazis, unter Mitwirkung des deutschen Lagerleiters Nickel haben es dann auch geschafft, und der früheren Standortobmann Tiedtke -- blieb in seinem Amt. 
55  Mit diesem Lagerleiter Nickel hat es auch seine Bewandnis. Statt an der demokratischen, antifaschistischen Erziehungsarbeit und an der Bildung eines antinazistischen Blockes regen Anteil zu nehmen, lehnt dieser Mann die deutsche Lagerzeitung mit einer verächtlichen Handbewegung ab. Umso mehr widmet er sich den ehemaligen Nazibonsen. Vieleicht wartet er auf Hitler Nr. 2. Jedenfalls haben Lagergenosse Hermann und ich als Vertrauensmänner ihn auf sein falsches Tun aufmerksam gemacht. 
56  Die Antwort erfolgte schnell. Wir wurden beide als Vertrauensmänner abgesetzt. Es wäre meines Erachtens an der Zeit, mit eisernem Besen mit diesen ehemaligen Nazibonzen und ihren Helfershelfern aufzuräumen, bevor das Unheil grösser wird. 
Willy Themke
Lagaer 85 -- Krokodil
Søvang. 
57  Anm. der Red.
      Eine solche Handlungsweise widerspricht nicht nur den Beschlüssen der Alliierten, sondern auch den Anweisungen der dänischen Behörden, in denen ausdrücklich gesagt wird, dass kein Nazi einen Vertrauensposten innehaben darf. 
58  Wie lange noch?
An die Redaktion!
     Mit vielen Dank haben wir heute das erste "Nachrichtenblatt" vom 4. 9. 45 erhalten. Ich habe das Blatt, der Gemeinschaft bei uns im Saal vorgelesen. Das hat eine grosse Freude gegeben, nur einige Elemente waren damit nicht zufrieden.Bei uns im Lager sind noch immer einige "Nazis" die versuchen Propaganda zu treiben, und den Wahnsinn verbreiten, dass es bald einen Krieg zwischen Amerika und Russland geben werde, oder in Vejle liegt ein Schiff mit deutscher Munition, die für die deutschen Soldaten bestimmt ist. 
59  Solches und noch andere Märchen werden hier im Lager verbreitet. Ein Beispiel: Unser Furier, der Briese sagte, dass das Nachrichtenblatt politisch ist und es Lügen sind. Solche Nazis rufen Unruhen in den Lagern hervor. Wir sind hier eine kleine Gruppe SPD-Männer, die das Lager anständig aufräumen wollen, damit es endlich Ruhe und Friede gibt. Es wurde dem deutschen Lagerleiter unterbreitet, dass er die Lagerinsassen über die Demokratie belehren soll. 
60  Dieses ist noch bis heute nicht gemacht worden. Wenn wir über die Nazis schimpfen, so wird uns einfach geantwortet: "Es kommt ein neuer Krieg, Deutschland wird auferstehen, dann werden wir mit Euch ganz anders verfahren wie bisher". 
61  Wenn die Portionen nicht stimmen, so sagt unser Furier Briese: "Meckert nur, das Auto kommt und Ihr werdet abgeholt", oder "Meckerer kommen aus dem Lager". Mit solchen Drohungen will man uns hier im Lager im Schach halten. Das sind noch die bekannten SS- und Gestapo-Methoden. Sollen wir noch lange unter der "Braunen Pest" leiden? 
AIS
AIT, AIU
AIV, AIX
AIY .. AIZ
Flüchtlingslager Skyttehuset Vejle. 
62  Unser Briefkasten
AIO,
Flüchtlingslager Høve-Strand
      Sie werden nicht darauf rechnen können, für das von einer englischen Militärkommission beschlagnahmte Bargeld, eine Massnahme, die in vielen Lagern durchgeführt wurde, später in Deutschland Entschädigung zu erhalten. Die beschlagnahmten Gelder werden als ein Teil der Abzahlung der von den Nazis gemachten Schulden und als ein Teil der Wiedergutmachung der von Nazideutschland anderen Völkern zugefügten Schäden betrachtet. 
63  Als Deutsche haften wir in Gemeinschaft für die verbrecherische Politik unserer damaligen Regierung und für die von Millionen Deutschen begangenen oder doch gutgeheissenen Missetaten an anderen Völkern. Ausserdem müssen die Flüchtlinge natürlich für ihren Aufenthalt in Dänemark bezahlen, der der dänischen Regierung täglich -- merken Sie auf -- 780.000 Kronen kostet. (siehe auch 46-29#78
64  AJA,
Lager Køge.
       Über den Rücktransport der Flüchtlinge aus Dänemark haben Sie in Nr. 17 der "Deutschen Nachrichten" Bescheid bekommen. 
65       Über die eventuelle Rückkehr der Königsberger in ihre Heimatstadt haben noch keine Verhandlungen stattgefunden. 
66       Sie fragen, ob die jetzigen Formen der Internierung der deutschen Flüchtlinge in Dänemark dem Internationalen Recht entsprechen? 
67       Sie haben es hier nicht mit internationalen Bestimmungen zu tun, sondern mit den dänischen Gesetzen. Zum freien Aufenthalt in Dänemark bedarf man einer Genehmigung der dänischen Behörden. Die deutschen Flüchtlinge sind aber der dänischen Regierung seinerzeit mit Gewalt von den deutschen Besatzungsbehörden völkerrechtswidrig aufgezwungen worden. 
68 Nach dänischem Recht können unerwünschte Ausländer umgehend nach ihrem Herkunftort abgeschoben werden, sond aber, wenn dies nicht möglich ist, zu internieren. Von Gefangenschaft kann also hier nicht die Rede sein, da die Dänen nichts lieber wünschen, als die ungebetenen Gäste loszuwerden. Ausserdem ist unserer Ansicht nach der Aufenthalt in den Lagern immer noch besser, als das Herumlungern auf den Landstrassen der von von Hitler zugrundegerichteten Heimat. 
69  Hr. AJB
Flüchtlingslager Udet bei Esbjerg
Baracke II, Zimmer 7
      Sie fragen an, ob Sie für Grundstücke und Mobiliar an Danzig-Zoppot Entschädigung erhalten werden, da Sie 76 Jahre alt und erwerbsunfähig sind.
70      Von polnischer Seite können Sie bestimmt nicht auf Entschädigung rechnen, da das polnische Volk das beschlagnahmte Eigentum nur als einen kleinen Teil der Wiedergutmachung für die Schäden betrachten kann, die ihm von Nazideutschland zugefügt worden sind. Ob sich in der Zukunft für Sie, der Sie sich als Antifaschist bezeichnen, die Möglichkeit ergibt, nach Zoppot zurückzukehren, kann heute noch niemand sagen. Für Ihren Lebensunterhalt, wie für den Unterhalt aller Alten und nicht Arbeitsfähigen wird unser Volk, die Gesunden und Arbeitsfähigen, Sorge tragen müssen. 
71  Frau AJC
Lager 12, Østerfarimagsgade 40
     Sie fragen an, ob wir über den Verbleib der Lehrlinge des Industriewerks Heiligenbeil, Ostpreussen, Auskunft erteilen können. Ihr 15 Jahre alter Sohn war dort als Flugzeugbaulehrling beschäftigt. 
72  Wir selbst wissen nicht, wo die Lehrlinge dieses Werkes hingekommen sind. Doch lassen wir Ihre Anfrage gerne an alle unsere Leser weitergehen und bitten jeden, der Auskunft erteilen kann, sich an uns oder direkte an die Adresse der Mutter zu wenden. 
73  Herr ADT,
Lager 45, Frederikssundsvej
      Sie fragen: wo blieb der Volkssturmgeneral Erich Koch, der die alten und kranken Männer Ostpreussens ins Grab schickte? Erich Kocn kam kurz vor der Kapitulation nach Dänemark und ist bisher leider noch nicht aufgefunden worden, er gehört auf die Anklagebank in Nürnberg. Über den Verbleib Albert Försters können wir ebenfalls keine Auskunft erteilen. 
74       Über die Rückkehr derjenigen Menschen nach den in Polen einverleibten Gebieten, die im Laufe der letzten 50 Jahre germanisiert wurden, ist bisher keine offizielle Äusserung bekannt geworden. 
75        Wir werden uns mit Ihrer Anfrage an die polnische Gesandtschaft wenden, da dieselbe Frage von Vielen an uns gerichtet wurde und werden dann die Antwort veröffentlichen. 
76         Es besteht keine Aussicht nach Amerika einwandern zu können, da die Vereinigten Staaten erstens selbst mit einer grossen Arbeitslosenzahl rechnen müssen und da die Deutschen in Amerika wie in anderen Ländern zum grossen Teil als Agenten der Eroberungspolitik des deutschen Imperialismus und auch direkt als Spione aufgetreten sind. Auch die Sowjetunion wird Ausländer kaum aufnehmen, besonders keine Deutschen, nach den bitteren Erfahrungen, die sie gemacht hat. 
77      Postverbindung mit Angehörigen in Polen kann vorläufig nicht aufgenommen werden. Über den Abtransport der Flüchtlinge kann noch nichts gesagt werden. 
78       Welche Betriebe niedergelegt werden, um jegliche Eroberungspolitik Deutschlands in Zukunft zu verhindern, ist im Einzelnen noch nicht bekannt. Es fallen darunter hauptsächlich die Betriebe, die schweres Rüstungsmaterial erzeugenj können, sowie Sprengstoff und andere Chemikalien für den Krieg. Auch die Betriebe, die künstliche Benzin herstellen werden teilweise abgebaut werden. 
79       In den abzutretenden Gebieten Ostpreussen, Schlesien, Brandenburg bis zur Oder und Ostpommern sowie Grenzmark Posen-Westpreussen lebten in Friedenszeiten etwa 7 Millionen Menschen. Wieviel Deutsch nach der Eroberung Polens noch bis weit hinein nach Polen angesiedelt wurden, wieviel Flüchtlinge aus den Westgebieten sich dort aufhielten, darüber liegen genaue Zahlen nicht vor. 
80  Terroristen gibt es noch in Deutschland. Werden sie festgenommen, so haben sie ihr Leben verwirkt. Als gefährliche Volksschädlinge, die den schon so ungeheuer mühseligen Aufbau noch zu hemmen versuchen, verdienen sie kein anderes Los. 
81  Frau AJD
Lager 64, Raadmandsgade 22
Kopenhagen.
     Betr. Rückkehr der Westdeutschen lesen Sie bitte unsere Antwort in Nr. 17. Danzig ist nicht Freistaat, sondern gehört Polen. 
82  Frau AJE
Kammerdal Hvorup, Plantage Lager 1
b. Aalborg.
     Wir danken für Ihren Brief und teilen gerne mit, dass Frau Erika Brauer geb. Reich, Frau Erna Engel geb. Seipold aus Lessen Kreis Graudenz und die Geschwister Anni und Hedwie Danowski aus Marienwerder Westpr. ihre Angehörigen suchen und um schnelle Nachricht an die obige Adresse bitten.