Zurüch zum Inhalt Tilbage til indhold.  Aus den "Deutschen Nachrichten" Fra den tyske avis Einzelne Lager Om de enkelte lejre

 

Deutsche Nachrichten 1947 Nr 8

 vom 24. Februar 1947

Deutsche Nachrichten 1947 nr 8

 fra 24. februar 1947.

 
  •  Bleibt in Dänemark so lange wir möglich Forord: #1.
  • Reise in Deutschland. #5.
  • Sorge um die Kinder af Mütter aus dem Lager Rödslet 49-09. #11. Svar: #14.
  • Zufriedene Menschen. #15.
  • Die Auffangslager.  #26.
  • Kritische Stimmen.  #38.

  • Selbstbildnis eines Zeitgenossen 6.6.44: #52. 16.12.45: #60.
  • Bliv i Danmark så længe som muligt.
  • Rejse i Tyskland
  • Bekymring for børnene.
  • Tilfredse mennesker.
  • Opsamlingslejren
  • Kritiske stemmer.

  • Selvportræt af en tidstypisk person.
     1 Bleibt in Dänemark so lange wie möglich Bliv i Danmark så længe som muligt
          Wie zu erwarten war, hat dieser Artikel in No. 4 unserer Zeitung überall in den Lagern zu lebhaften Erörterungen Anlass gegeben ( 47-04#1). Wir veröffentlichen heute Auszüge aus Briefen aus Deutschland von Landsleuten, die schon zurückgekehrt sind. Es handelt sich um wörtliche Zitate, nur die Namen haben wir weggelassen. Das Bild ist sehr bunt, und die Verhältnisse werden sehr verschieden beurteilt. Absolut entgegengesetzte Meinungen hört man über Dänemark und Deutschland, über die Lager hier und drüben, über Wohnung und Essen, über Hoffnungen und Möglichkeiten.         Som det var at forvente, har denne artikel i nr 4 i vores avis overalt i lejrene givet anledning til livlig debat. Vi offentliggør idag nogle uddrag af breve fra Tyskland fra landsmænd, som allerede er vendt tilbage. Det drejer sig om ordrette citater, kun har vi udeladt navnene. Billedet er meget broget, og forholdene bedømmes meget forskelligt. Man hører absolut modsatte meninger om Danmark og Tyskland, om lejrene her og dèr, om bolig og mad, om forhåbninger og muligheder. 
    3         Wir geben Proben der verschiedensten Auffassungen. Die einzelnen haben es in Deutschland offenbar sehr verschieden getroffen. Der eine ist entsetzt, der andere ist glücklich und froh. Offenbar beurteilen die einzelnen aber entsprechend ihrer Veranlagung oft auch dieselben Verhältnisse verschieden.         Vi gengiver prøver på de forskelligste opfattelser. De enkelte har åbenbart haft meget forskelligt held med sig i Tyskland. Den ene er forarget, den anden er lykkelig og glad. Åbenbart bedømmer de forskellige svarende til deres anlæg ofte de samme forhold forskelligt. 
    4       Später werden wir einige Zuschriften von Flüchtlingen veröffentlichen, die noch hier in Dänemark sind. (47-10#1        Senere vil vi offentliggøre nogle læserbreve fra flygtninge, der endnu er her i Danmark. 
    5  Reise in Deutschland Rejse i Tyskland
    6        Mutti will jeden Tag an Sie schreiben und es geht nicht, weil wir ein Zimmer ohne Ofen haben. Nun will ich erst einmal berichten, was von Kolding weiter geschah. Wir kamen in Züge, die ungeheizt waren und zum Teil keine Aborte hatten. Es dauerte noch einmal unheimlich lange, bis wir nach Osnabrück in das Auffanglager Lüstringen kamen. Wir wurden dort in einem Schweinestall untergebracht, lagen auf Zement, mit ganz wenig Stroh, die Registrierung begann gleich, bei uns hatte es natürlich doch einige Schwierigkeiten.          Mor vil hver dag skrive til jer og det lykkes ikke, fordi vi har et værelse uden ovn. Nu vil jeg først berette, hvad der skete fra Kolding og videre frem. Vi kom ind i toge, der ikke var opvarmede og som tildels ikke havde WC. Det varede endnu engang uhyggelig længe, før vi kom til Osnabrück, til optagelseslejren Lüstringen. Dèr blev vi indkvarteret i en svinestald, lå på cement, med ganske lidt halm, registreringen begyndte med det samme, hos os medførte den naturligvis nogle vanskeligheder. 
    7         Von Kolding nach Osnabrück dauerte die Fahrt genau 22 Stunden. Wir fuhren in einem Abteil alleine, was sehr angenehm war. Ebenfalls von Osnabrück nach Hannover konnten wir im D-Zug in einem Abteil für uns fahren. Ich habe kein fensterloses Abteil gesehen. Zwar waren einige Fenster mit Pappe vernagelt. Auch der Zug, der uns von Kolding nach Osnabrück brachte, bestand nur aus Personenwagen, in denen auch Fenster waren.          Fra Kolding til Osnabrück varede turen nøjagtig 22 timer. Vi var i en kupé for sig, hvad der var meget behageligt. Ligeledes fra Osnabrück til Hannover kunne vi rejse i D-toget i én kupé for os. Jeg har ikke set nogen kupé uden vindue. Ganske vist var nogle vinduer tilsømmet med pap. Men det tog, der fra Kolding bragte os til Osnabrück, bestod kun af personvogne, som også havde vinduer. 
    8  Geheizt war aber nicht, doch das nahmen wir sehr gerne mit in Kauf, es ging ja nach Deutschland. Hier auf dem Lande, (6 km) bei Hannover, ist es mit der Verpflegung besser. Wir können uns hier sehr gut verpflegen und denken mit Grauen an den "Frass" in Silkeborg-Bad zurück. -- Men de var ikke opvarmede, dog det tog vi gerne med i købet, det gik jo mod Tyskland. Her på landet (6 km fra Hannover) er forplejningen bedre. Vi kan her forpleje os ganske udmærket og tænker med gru tilbage på hundeæden i Silkeborg-Bad. 
    9      Bis zur Grenze ging unsere Fahrt ganz gut, wir wurden gut und reichlich verpflegt und auch der Transport klappte vorzüglich. Von der Grenze begann dann die Schwierigkeit. 12 Tage waren wir unterwegs und doch kamen wir nicht hin, wo wir wollten und zwar nach Berlin zu meiner Schwägerin. Erst ging es nach den Munsterlager in der Lüneburger Heide, von dort nach Lüstringen Osnabrück, von da nach Friedland b. Hannover. Hier ist das Durchgangslager nach der russ. Zone.         Indtil grænsen gik vores rejse ganske godt, vi blev godt og rigeligt forplejet og også transporten gik godt for sig. Fra grænsen af begyndte vanskelighederne. 12 dage var vi undervejs, og dog kom vi ikke derhen, hvor vi ville, nemlig til Berlin til min svigerinde. Først gik det til mønstringslejren på Lüneburger Heide, derfra til Lüstringen ved Osnabrück, derfra til Friedland ved Hannover. Her ligger gennemgangslejren til den russiske zone. 
    10  Ohne Zuzugsgenehmigung kam keiner rüber. Wir bekamen hier keine Verpflegung, denn es hiess, wir müssen nach dem Flüchtlingslager Ülzen. Schwarz konnten wir nicht rüber, da wir zuviel Gepäck hatten. Also wir fuhren mit 11 Personen nach Ülzen. Was wir dort gesehen haben, ein Bild des Jammers und des Elends. Ich will es kurz machen, Deutschland ist ein Trümmerhaufen, Massenelend, bleibt wo Ihr seid, das ist das Beste. -- Uden tilflytningstilladelse var der ingen der kom derover. Vi fik her ikke nogen forplejning, for det hed sig, at vi skulle til flygtningelejren i Ülzen. På den sorge måde (?) kunne vi ikke komme derover, da vi havde for meget bagage. Altså rejste vi med 11 personer til Ülzen. Hvad vi dèr har set, et billede jo jammer og elendighed. Jeg skal gøre det kort, Tyskland er en ruindynge, masseelendighed, bliv hvor I er, det er det bedste. --
    11  Sorge um die Kinder
    12 Herrn Jochen Spatz!
         Im Interesse vieler Mütter, deren schulpflichtige Kinder in Deutschland sind, bitten wir Sie höflichst, etwas für uns bei der Alliierten Militär-Kommussion zu tun. Unsere Kinder treiben sich elternlos in Deutschland rum. Die Mütter sind in Dänemark interniert. Es ist doch wirklich Zeit, dass jede Mutter zu ihrem Kind kommt. Was soll aus unsern Kindern werden? 
    13       Wir bitten Sie höflichst, unsere Anfrage zu beantworten. 
    Mütter aus dem Lager Rödslet 49-09.
    14       Bei allen Verhandlungen wird auf die Lager der Kinder besonders hingewiesen. Es ist bis jetzt gelungen, einen grossen Teil elternloser Kinder nach Deutschland abzutransportieren. Energisch wird darüber verhandelt, dass die Kinder, die ihre Eltern in Deutschland haben, endlich zurückkommen. Wenn das erledigt ist, werden hoffentlich die Mütter berücksichtigt werden können, deren Kinder in Deutschland sind. Also nicht die Geduld verlieren, allmählich kommen alle an die Reihe. 
    Die Redaktion. 
    15 Zufriedene Menschen
    16        Viele liebe Grüsse aus Deutschland sendet Ihnen Ihre D. Ich bin ganz einfach glücklich. Es ist herrlich hier. Habe ein Zimmer für mich alleine und mit meiner Schwägerin verstehe ich mich ausgezeichnet. Die Fahrt von Osnabrück bis hier mussten wir alleine bezahlen und mit dem Gepäck kam es über 100,- RM. Die Städte sehen alle unheimlich aus und es ist fast kein Haus ganz im Stadtkern.
    17       Bin ich froh, dass ich draussen bin. Kann ihnen nur sagen, es ist herrlich, so als freier Mensch zu leben. Mit dem Essen ist es halb so schlimm und wenn man es sich einteilen kann, geht es ganz gut. Prima Brot gibt es hier und wir essen nur Pumpernickel. Zweimal in der Woche gibt es Schlagsahne nach unserem Rezept aus Magermilch. 
    18 Wenn man sich das Essen alleine kocht, ist es viel schmackhafter. Es braucht ja nicht immer Fleisch zu sein, ein Knochen in der Suppe tue es auch. Uns allen Schmeckt es sehr gut und satt sind wir immer geworden, oft bleibt sogar noch etwas übrig. ---
    19       Es gibt Arbeit genug. In Ihrem Beruf ganz besonders. Sie brauchen also gar keine Angst zu haben. Es sieht vom weitem immer alles viel dunkler aus. Man findet doch überall viele lichte Punkte. Für ein junges Mädchen gibt es so gut wie keine Schwierigkeiten, wenn sie weiss was sie will. Typ Frl. N. ist natürlich nicht gefragt, die kommen leicht under die Räder oder verhungern in der Ecke. 
    20 Für Frl. S. sehe ich ganz schwarz. Man muss frisch und beweglich genug sein und sich vorsehen, dass man nirgends kleben bleibt und das nächste Ziel schon wieder im Auge haben. Stellen Sie sich vor, gestern traf ich Dr. Z. in Hannover. Es gab eine freudige Begrüssung und einen regen gedankenaustausch über Vergangenheit und Gegenwart. 
    21 In Schleswig-Holstein soll es mit allen Dingen viel schlechter bestellt sein. Der Hunger macht sich in Hamburg schon körperlich bemerkbar. Hier in Hannover sieht man nur im Bahnhofsbunker etwas von Not und Elend, sonst nicht. Ich kan nur immer wieder sagen, dass ich mich hier sehr wohl fühle. -- Schwester J. traf ich zufällig schon zweimal in Hannover. Es geht ihr nicht gut, und sie sagt, sie hat im Lager besser gelebt. Ich kann von uns nur das Gegenteil behaupten.
    22       Von Not und Elend bemerkt man in Hannover und Umgebung kaum etwas. Man muss in Hannover schon in den Bahnhofsbunker gehen. Ich was restlos erschüttert. Teils verschulden diese Menschen es aber persönlich, weil sie nicht arbeiten wollen.
    23       Ich habe mich hier auch schon gut eingelebt und es gefällt mir sehr gut. Mit der Verpflegung kommen wir gut aus. Wir haben hier ein schönes Zimmer mit 3 Betten, 2 Tischen, Stühle, Chaiselongue, Schrank. Eine elektr. Kochplatte habe ich mir gekauft, 2 schöne Aluminiumstöpfe, 2 Pfannen, Vorlegelöffen, Schaumlöffel, Teller, Tassen mit Untertassen, Butterglocke, Käseglocke und so viele Gegenstände, die man im neuen Haushalt braucht, sogar ein Bügeleisen. 
    24  Ach, ich bin glücklich und froh, dass ich als Erste einmal allem den Rücken zuwenden konnte. Hier ist man doch unter anderen Menschen. Kommt man in die Elektrische, so begegnet man nur höfliche Menschen, geht man in ein Geschäft, so ist es genau dasselbe und das tut so wohl, wo man so eingesperrt war. Ich denke nicht mehr zurück, nur bedaure ich Sie, dass ich Sie nicht mitnehmen konnte. 
    25         Ich freue mich nur, dass ich in Deutschland bin, denn nichts kommt über deutschen Boden, und die Freiheit ist doch das Schönste. Nie möchte ich nach Dänemark zurück. Das Leben in Deutschland ist nicht so schlecht, wie man es in Dänemark sagte. Die Menschen sehen alle dick und rund aus und nicht verhungert. Das Leben auf Karten ist nicht einfach, aber man macht sich mit dem wenigeh etwas zurecht, dann schmeckt es auch. Und nicht so ein Frass wie bei Euch. --
    26  Die Auffangslager
    27        Als wir durch Kiel fuhren, sahen wir fast nur Trümmer und es tat einem das Herz weh. Um 18 Uhr trafen wir dann in Pelzerhaken ein, hier mussten wir uns wieder aufstellen und wurde Unterkunft erteilt. Eine Baracke, wo nur Pritschen aufgeschlagen waren Stroh war auch nicht wiel und die Ratten waren unsere Mitbewohner. Wir waren die erste Nacht mit Herrn K. zusammen, ich glaube, es tut ihm schon leid, dass er gefahren ist, es sind sehr grosse Strapazen und ich würde jedem, der Kinder hat, rate, den Winter über dort zu bleiben. 
    28 Wenn Frau K. noch nicht fort ist, soll sie es nicht machen. Sie muss auch durch dieses Lager und hier ist die Unterkunft furchtbar, wie liegen in Wellblechbaracken, 42 Personen, alles auf der Erde aud 2 Strohsäcken wo Holzwolle drin ist, die noch nass ist. Kein Tisch, kein Stuhl, in der Mitte nur ein Gang, ein Ofen ist wohl drin aber kein Brennwerk. 
    29  Die, wo keine Zuzugsgenehmigung haben, liegen bereits 8 Wochen hier. Die letzte Nacht lagen wir nur 3 in der Rattenbaracke, die Viecher hätten uns bald aufgefressen. Ich hatte doch, wie ich Ihnen erzählt habe, eine Zuzugsgenehmigung nach dem Kreise Wesermünde. Aber das Kreiswohnungsamt weigerte sich, mich dort aufzunehmen, und so musste ich hier noch durch verschiedene Lager, ehe ich nun endlich hier in Hameln eingewiesen wurde. 
    30 Die 4 Wochen, die hinter uns liegen, waren wenig schön. Die Lager sind überfüllt von den Ostflüchtlingen. Die armen Menschen haben ja noch Schweres erlebt als wir. ---
    31        Ich kam dann zum Landkreis Schleswig, 15 km von der Stadt, in ein Waldlager. Verpflegung haben wir auch. Gemeinschaftsküche, da wird gut gekocht, bloss man weiss nie am Mittag was es wohl ist, also es war eine Suppe ohne Fleisch und so ist es alle Tage. Heut zum Beispiel gab es Pellkartoffeln, dazu eine Suppe, aber von was die zubereitet ist, das kan kein Koch feststellen, schmeckt so, als ob man Heringe abgewaschen hat. Hier sollen alle hinkommen, deren doch der Stacheldraht im Wege ist! Hier haben sie die Goldene Freiheit. 
    32 Da bekommt man einen Eindruck, den man von Deutschland nicht erwartet hätte. In Wellblechbaracken ohne Tisch und Stuhl, nichts zum Heizen, auf Strohsäcken auf der Erde mit etwas Holzwolle, einer dicht am andern, von Spitzbuben umschlichen, da muss man tagelang auf die Entlassung warten. Ich glaube zur Zeit lebt Ihr besser als ich, aber der Weg bleibt Euch nicht verschont. 
    33         Man erhält keine Zuzugsgenehmigung in andere Zonen oder Stadt und muss da klucken wo sie einem hinstupsen. Wir sitzen in einem stinkenden Kuhdorf, das aus Versehen eine Stadt geworden ist. Wir möchten nichts weiter, als aus diesem Dreck herauskommen, meine Tochter wie auch meine Enkelin. Also nun macht was Ihr wollt, wenn Ihr aber kein Heim in Deutschland habt, bleibt in Dreideubelsnamen noch in Dänemark. 
    34        Ich befinde mich hier noch immer in einem Auffangslager. Ich glaube ich schrieb Dir schon im vorigen Brief ausführlich darüber, jedenfalls ist Klövermarken das reine Hotel gegenüber dieser Unterkunft. Wir schlafen auf der Erde auf Stroh, keine Bettgestelle. Schränke kennen wir hier nicht. Ungefähr 55 Menschen in einem Raum. Heizmaterial gibt es angeblich 2 halbe Forken Brikett täglich, also nicht halb so viel wie dort. 
    35 Waschwasser, d. h. warmes gibt es nur so wemig, dass man nicht mal das Allernotwendigste waschen kann. Die Verpflegung besteht aus täglich für Personen über 18 Jahren 4 Stullen Brot, etwa 20 g Wurst oder 30 g Weichkäse, 12-15 g Butter und 1 Esslöffel Marmelade, dazu Kaffee. Das Mittagessen derartig unschmackhaft, dass manmit Wehmut an die Klövermarkschen Erbsen, Kartoffelsuppe und Fische zurückdenken muss. ---
    36        Das Wirtschaften ist ja für uns eine ganz grosse Umstellung. Es ist trostlos. Die Geschäfte sind leer. Diesen Monat gab es noch keine Nährmittel und Kartoffeln sind auch keine da. In der Beziehung lebten wir dort sorgenfreier. Man ist den ganzen Tag unterwegs, um etwas zum Essen aufzutreiben. Es ist überhaupt ein trauriges Bild hier. Die Kriegskrüppen und Blindenliegen am Strassenrande und betteln. 
    37 Ich bin immer erledigt wenn ich vom Einkaufen komme. Dann kam ich auch hier an den Flüchtlingsbaracken vorbei, aber man kann es nicht beschreiben, viel schlimmer wie bei uns dort. Das einzige ist ja die Freiheit; aber wer die Familie dort zusammen hat, soll es nicht so eilig haben. Wir sind hier nicht gern gesehen. 
    38  Kritische Stimmen
    39        Wie Sie sehen, sind wir noch immer nicht in geordneten Verhältnisse gekommen, da de Ort, für den wir die Zuzugsgenehmigung haben, überfüllt ist. Nun sollen wir hier bleiben, bis wir irgendwo unterkommen, da kan u. U. noch Monate dauern. Es ist dieses das 5. Lager, das wir auf unsere Fahrt durchlaufen. Die Aufnahme in den einzelnen Lagern war sehr verschieden. Hier war die Warmverpflegung so gut, dass wir ganz überrascht waren, jedenfals viel besser als in Oksböl. 
    40 In Bezug auf die Verpflegung ist wohl alles knapp, aber verhungerte Menschen habe ich noch nicht gesehen und man kann sich durch markenfreie Wurst u. a. schon helfen. Brot ist allerdings sehr knapp und verschlägt nicht viel (200 gr. täglich). Heite gab es zum Abend 1 Ei und gestern 250 gr. Zucker. Zum Abendbrot gibt es fast stets etwas warmes (Pellkartoffeln und Hering, Kartoffelsalat, Eintopf usw. aber nie Wurst und Käse). 
    41 Fett hat es im Dezember nur 75 gr. pro Person gegeben. Aber trotz allem, wir sind wieder freie Menschen und das ist die Hauptsache. Auf diese Fahrt haben wir unfassbare Zerstörungen gesehen und es war so gut wie nichts getan, um aufzubauen. Zerstörte Häuser, Bahnhöfe, Brücken, Züg, Bombentrichter ohne Ende. ---
    42       Ich war aber doch erschüttert, als ich meine Mutter, die bei ihrer Grösse von 1,78 m mit ihren 160-170 Pfd. Gewicht bestimmt nicht korpulent gewesen war, in ihrer jetzigen Verfassung, 115 Pfd. wiegend, wiedersah. Ich hoffe, dass wir es im Laufe der Zeit jeder zu einer eigenen Bettstatt bringen werden. Die Platzfrage ist hier allerdings sehr schwierig, denn es ist praktisch bis zum letzten Bodenkämmerchen alles mit Flüchtlingen belegt. Aber wir werden schon durchkommen; jedenfalls ist es das Gefühl, nicht mehr hinter Stacheldraht zu sitzen wohl wert, schlimmstenfalls den Leibriemen mal etwas enger zu schnallen. ---
    43        Ein Zimmer hätte ich. Für 800 Mark habe ich mir 6 Ztr. Kohlen gekauft -- Zucker 1 Pfd 80 M. Ach, ich kann nicht aufzählen, mein Geld ist alle. Weihnachten gut verlebt. Komm unter allen Umständen und wenn es noch so schlecht ist, besser als Gefangener hinter dem Stacheldraht ist es doch. ---
    44       Die Kartoffelkarten gibt es wohl, aber keine Kartoffeln. Ich habe schon bei Ihrem Mann angefragt, ob er mir nicht etwas abgeben kann an Kartoffeln. Wie schwer wird einem das Herz, wenn man hier alles im Haushalt sieht und wir besitzen nichts. Hier merkt man erst, was man besessen hat. 
    45       Manchmal sehne ich mich richtig nach Euch allen in Dänemark und möchte am liebsten nach Kopenhagen fliegen. ---
    46        Die Ernährung ist viel geringer wie in Klövermarken, trotzdem werden wir satt. Es gibt 125 gr Butter, und so unglaubhaft es klingt, wir kommen aus. Brot haben wir genug und essen immer Rübenkraut draug. Es schmeckt alles gut auch ohne Fett und Fleisch. Ich denke oft und gern an die Zeit in unserm Lager und meine Arbeit. Waren die Stunden doch oft recht, recht schön, wenn auch manchmal schwer. 
    47  Ich habe manchmal sogar Heimweh nach Klövermarken. Die Betreuung der Flüchtlinge ist hier nicht so gut wie in Klövermarken. Es kümmert sich kein Flüchtlingsausschuss darum, wie man wohnt, ob man eine Decke oder ein Bett besitzt, oder eine Tasse oder einen Teller. Hier ist jeder sich selbst der Nächste und man muss viel laufen und reden, um etwas zu erstehen. Es ist oft bitter und schwer. 
    48  Bezugscheine usw. gibt es ganz selten und Wochen sogar Monate vergehen, bis es einen solchen gibt. Die Frauen in Klövermarken sollen mit ihrem Los zufrieden sein. 
    49        Wenn man fort ist, merkt man erst, wie viel einem dort geboten worden ist. Wir sind den Dänen für ihre Gastfreundschaft wirklich vielen Dank schuldig und ich glaube bestimmt, auch die grossen Meckerer in Klövermarken werden es einsehen, wenn sie in Deutschland sind. Hier gibt es keine Lagerleitung, zu der man läuft und sich über diese und jene Kleinigkeit beschwert. ---
    50  Selbstbildnis eines Zeitgenossen
    51        Die in Mainz erscheinende Zeitschrift "Umschau" veröffentlicht die nachstehenden beiden Briefe eines Zeitgenossen. Wir möchten diese bezeichnenden Dokumente unseren Lesern nicht vorenthalten. 
    52  6.6.1944
       An den Kreishandwerksmeister in Geinhausen. 
           Beifolgend sende ich Ihnen den Antrag um Wiedereintragung in die Handwerksrolle. Ich danke Ihnen, dass Sie sich für mich einsetzen. Für Ihre gute Tat werden Sie bestimmt auf Erden noch belohnt werden. 
    53       1919 eröffnete ich eine Reparaturwerkstatt für Fahrräder. Mit dem Abschluss des Weltkrieges war ich nicht zufrieden. Ich machte keinen Hehl daraus, dass ein Mann kommen muss, der das Ruder in die Hand nimmt. Dass ich schwarz angeschrieben war bei den Sozi, wirkte sich ganz besonders im Geschäft aus. Doch ich verlor den Glauben nicht. 
    54        Als ich Adolf Hitler das erstemal hörte, war ich bezaubert. Als unser auf dem Felde der Ehre gefallener Landrat Kausemann das erstemal in unserem schwarzen Dorf sprach, war ich mit einigen Wenigen und dem Gummiknüppel in der Tasche dabei. Auf allen seinen Propagandareden war ich zu seinen persönlichen Schutz an seiner Seite. Was ich im Geschäft auszuhalten hatte, können Sie sich vorstellen. Als fanatischer Anhänger unseres Führers hatte ich zu kämpfen gegen rot und schwarz. 
    55 Mit allergrösster Anstrengung behauptete ich mein Geschäft. Ich machte jeden Parteitag mit, von Anfang 1938; lieber habe ich gehungert. Dies kann nur ein echter Nationalsozialist. 
    56        Kürzlich hatten wir eine Zeit, wo man fast kein Parteiabzeichen mehr sah. Ich trage stolz mein Parteiabzeichen und werde wach sein. Von Rotmord bekamo ich einen Lungensteckschuss und eine Genickverletzung, trotzdem war ich von dem Glauben an den Führer nicht abzubringen. Meine Tochter habe ich als erste zum BDM., meinen Sohn zum Jungvolk geschickt. Ich selbst habe Posten auf Posten übernommen. Ein Bruder von mir ist auch Politischer Leiter und vom selben Hotz geschnitten wir ich. Er hat den Weltkrieg freiwillig mitgemacht und steht heute in vorderster Front in Russland. 
    57 Leider bin ich nicht wie er kerngesund. Zu Hause kann ich mich zwar entspechend pflegen, aber beim Militär wäre ich ein unbrauchbares Glied. 
    58       Ich setze mein ganzes Vertrauen auf Sie, dass Sie den UK.-Antrag bewerkstellingenkönnen. Wir ich Sie einschätze, sind Sie ein guter deutscher Nationalsozialist. 
    59       In der Hoffnung, bald Günstiges von Ihnen zu hören, begrüsse ich Sie mit Heil Hitler!
    Pg. J. J. 
    60   16.12.1945
           An die Handwerkskammer Wiesbaden. 
          Ich beantrage hiermit, dass ich wieder in meine Rechte als Handwerksmeister eingesetzt werde.
    61       1919 gründete ich eine Reparaturwerkstatt. Ich habe mich durch alle Wirrnisse hindurchgearbeitet, bis das verhängnisvolle Jahr 1933 kam. Doch ich hielt mich weg von jeder Politik. Sämtliche Juden Sonnenborns zählten zu meinen Kunden. Weil ich sie weiterhin bediente, wurde ich von den Nazis zweimal gemassregelt. 
    62        1935 kam der Neuaufbau des deutschen Handwerks. Vielleicht war mein Verhalten den Juden gegenüber bestimmend, dass mein Geschäft geschlossen werden sollte, vielleicht auch, dass ich mich weigerte, "Adolf-Hitler-Spende" zu zahlen. 
    63        Da erhielt ich einen Brief ohne jede Unterschrift, mit den Worten: "Vielleicht gehen Sie in die Partei!" Wie es mir zumute war, können Sie sich vorstellen. Ich mit meiner demokratischen Auffassung sollte jetzt in die gehasste Partei eintreten, die mich vernichten wollte. Ich kämpfte lange mit mir, bis ich auf Anraten gleichgesinnter demokratischer Männer mich entschloss, als Demokrat dieser Partei beizutreten. 
    64      1944 wurden die Jahrgänge 84/88 gemustert. Ich wurde k. v. Da ich aber die einzige Reparaturwerkstatt in der Gegend betreibe, wurde die Weiterführung meines Geschäftes auf Kriegsdauer genehmigt. Ich hoffte fest, dass das Regime bald zusammen brechen würde. Das Regime ist zusammengebrochen. 
    65       Meine Gesinnung ist die gleiche wie vor 30 Jahren. Die kurze Zeit meiner Parteizugehörigkeit hat meinen Hass eher noch geschürt. Hier einige Beispiele, wie ich als Demokrat innerhalb der Partei gearbeitet habe: Auslandssender regelmässig gehört, bei der Gefangenendurchsage die Namen der Angehörigen notiert und diese benachrichtigt. 
    66       An den Übungen des Volkssturms weigerte ich mich teilzunehmen. Ich habe keine einzige Minute Dienst gemacht. Mein Junge erhielt drei Wochen, bevor die Amerikaner kamen, einen Gestellungsbefehl. Ich liess ihn nicht fort. Wir beide spielten mit unserem Kopf. Für alles, was ich angeführt habe, stehen Zeugen zur Verfügung. 
    67       Ich bitte deshalb, mich wieder in die Handwerksrolle aufzunehmen, aus der mich die Nazis gestrichen haben. 
    Hochachtend J. J. 
    68 D
    69 D
    70 W
    71       D
    72 W
    73 D